Gruselgeschichte - Das Silberbein

Diese Geschichte habe ich in den letzten 30 Jahren Jugendarbeit sicherlich mehrmals pro Jahr erzählen müssen. Sicherlich niemals identisch - bis auf den Schluss. Und immer noch kann man die Kids damit fesseln und gehörig erschrecken. Die Gruselgeschichte kann jeder noch etwas ausschmücken. Ablesen sollte man dagegen lieber nicht. Bei einer Nachtwanderung oder am Lagerfeuer zu vorgerückter Stundeeignen sich Gruselgeschichten immer. Wer nach ein paar Gruselgeschichten dann noch Nachtwache freiwillig schieben will– der scheint ein unerschrockener Kerl (oder Mädchen) zu sein.

In einem tiefen dunklen Wald befand sich ein altes halb verfallenes Schloss. Seit vielen Jahren lebte darin ein alter Graf mit seinem Diener. Der Graf hatte ein Silberbein und sein Diener ein Holzbein.

Eines Tages starb der Graf. Der Diener, der dem Grafen jahrelang treu gedient hatte, jedoch nicht sehr viel Lohn dafür bekam, dachte sich nun: "Der Graf braucht sein Silberbein nicht mehr, aber mir kann es noch nützen und für die jahrelangen Dienste wäre das ein gerechter Lohn!". Also tauschte er kurzerhand sein Holzbein gegen das Silberbein aus.

Als es Nacht wurde, verschloss der Diener wie immer alle Fenster und Türen des Schlosses. Etwas unheimlich war ihm ja nun schon zumute. Niemand weit und breit, nur das Rauschen des Waldes, das Knistern des Kaminfeuers und hin und wieder das Heulen eines Wolfes in der Ferne.

Der Diener legte sich ins Bett und schlief alsbald ein. Um Mitternacht schreckte der Diener plötzlich auf. Hatte er nicht etwas gehört? Ja! Jetzt hörte er es ganz deutlich. Ein erst leises, dann immer besser hörbares Tock-Tock-Tock. Dieses Geräusch kam näher und näher und näher...

Dem Diener wurde ganz anders. Wer mag da draußen sein? Er hatte doch alles verschlossen! Oder doch nicht? Ohje - jetzt hörte er eine Stimme. "Wo ist mein Silberbein ! Wo ist mein Silberbein !" es war die Stimme des verstorbenen Grafes. Eigentlich sollte der ja in seiner Gruft im Schlosskeller liegen. Dem Diener wurde ganz anders. Doch so schnell wie der Spuk begonnen hatte, so schnell war er vorüber.

Gleich am nächsten Tag, nach einer sehr unruhigen Nacht und schaurigen Träumen, permanent verfolgt vom alten Grafen, machte sich der Diener daran, alle Schlösser zu erneuern und alles zu sichern. Besonders sorgfältig wurden die Türen zur Gruft und Keller abgeschlossen und verriegelt.

Mit einem etwas unwohlen Gefühl legte sich der Diener abends in seiner Kammer unterm Dach ins Bett. Und es geschah wieder. Genau um Mitternacht wurde er wieder von einem sich nähernden Tock-Tock-Tock-Geräusch geweckt. Die Schritte kamen näherund näher und blieben genau vor seiner Kammer stehen.

Schweißgebadet lag der Diener in seinem Bett. Jetzt bewegte sich die Türklinke langsam nach unten. Ganz deutlich hörte er nun auch die vertraute Stimme des Grafen: "Wo ist mein Silberbein ! Wo ist mein Silberbein ?" Der Diener bekam fast einen Herzstillstand. Die Decke übers Gesicht gezogen rührte er sich nicht. Plötzlich viel die Tür ins Schloss und der Spuk war wieder zu Ende. Erleichtert atmete der Diener auf.

Am nächsten Morgen wurden die Vorkehrungen noch verbessert. Nun brachte der Diener gleich 2 zusätzliche Schlösser an seiner Türe an und schob eine alte Diele unter den Türgriff. Trotzdem um Mitternacht das selbe Spiel. Genau um Mitternacht wurde er wieder von einem sich nähernden Tock-Tock-Tock-Geräusch geweckt. Die Schritte kamen näherund näher und blieben genau vor seiner Kammer stehen.Trotz Schlösser und Diele öffnete sich wieder die Türe. Schweißgebadet lag der Diener wieder im Bett, noch weiter unter der Decke verkrochen.

"Wo ist mein Silberbein ! Wo ist mein Silberbein ?" hörte derden alten Grafen sagen und dabei immer näher kommend. Nun musste er ganz dich an seinem Bett stehen

- der Diener hielt den Atem an - - wieder mit tiefer Stimme hörte er: "Wo ist mein Silberbein ! Wo ist mein Silberbein ?".... (kurze Atem - Pause)

"Daaaaaa ist mein Silberbein !"

(Regieanweisung: das "Daaaaaa" so laut brüllen, dass die Zuhörer recht zusammenzucken, die zuvor so gespannt auf die Erzählung hörten und die Spannung vom Erzählerlangsam aufgebaut wurde).

Unheimlich - Die erste Nacht im Zelt

In einer Gegend, wo sich die Füchse „Gute Nacht" sagen, bauten wir das Zeit auf, weit oben am Hang. Ein Windstoß hätte es davon gepustet, doch wir waren froh, daß es überhaupt stand, und krochen hinein. Der Boden hauchte eine nasse Kälte aus. Es war unsere erste Nacht im Zelt; und weil wir zwölfjährige Knirpse waren, dachten wir, das alles müßte so sein, und heuchelten Begeisterung. Wir lagen Rücken an Rücken wie zwei hochkant stehende Bretter. Die Kälte kroch bis ins Mark; und wir schwiegen endlich, weil wir keinen Satz mehr herausbrachten, ohne dabei mit den Zähnen zuklappern.

Dann lugte der Mond zwischen den Waldbergen hervor, und in seinem fahlen Licht sah ich den Mann, der auf unser Zeit zukam. Er war noch weit entfernt. Seine Umrisse verschwammen bisweilen in den Nebelschleiern, die über den Boden geisterten. Der Schreck fuhr mir so in die Knochen, daß ich der Erscheinung starr entgegen sah und nicht den kleinen Finger rühren konnte. Der Wind trieb sein Spiel mit den Nebelschwaden und den Gräsern, die im Mondlicht zerrannen und wechselten die Konturen. Bald schien die Gestalt zu einem riesenhaften Berggeist anzuwachsen, der im Begriff war, über das Zelt hinwegzustampfen, dann schrumpfte sie zusammen, schien ein boshaftes Männchen zu sein, das lautlos auf uns zuschlich. „Rolf" - Endlich hatte ich den Namen meines Freundes herausgewürgt. „Ein Mann!" Ich krächzte wie ein Rabe. Rolf, zutiefst entrückt, war der vernünftigen Ansicht, daß mich ein Traum genarrt habe und kostete die Situation weidlich aus. „Wo?" quetschte er darum kurz und trocken hervor. Es klang gekonnt lässig und schläfrig. So reagieren Männer, die bei Wind und Wetter im Freien nächtigen und an umher schleichende Räuber gewöhnt sind. Ein solcher Mann war Rolf. Er wälzte sich herum und warf einen kurzen Blick nach draußen, „ichsehe keinen Mann", murmelte er sichtlich erleichtert.

Seine Ruhe schien anzustecken. Vielleicht war das Ganze doch nur ein böser Spuk? Gerade da richtete sich der Mann drohend empor und war wieder leibhaftig da, daß ich erneut zusammenfuhr.„Da kommt er! Rolf, siehst du ihn nicht?" wisperte ich. Wir lagen Kopf an Kopf. Rolf spähte aufmerksam in die gleiche Richtung. Ein heftiger Ruck ging durch seinen Körper, und ich merkte daran, daß er den Mann gesehen hatte. „Er kommt hierher!" sagte Rolf mit unterdrückter Stimme, und nun war er es, der wie ein Rabe krächzte. „Sei doch still! Wenn er uns nicht hört, geht er vielleicht vorbei!" Das war ein klägliches Argument. Die Karte biß in die Augen, daß sie tränten. Stundenlang, so schien es uns, stand der Mann wie festgenagelt, um dann zögernd zwei, drei Schritte näher zu kommen.

Der Mond verblaßte. In das trübe Grau mischten sich matte Farbtöne. Das erste verschlafene Gezwitscher der Vögel kam aus dem Tal herauf, und über dem Hang wölbte sich der Himmel in einem milden Licht. - Da bückte sich der Mann, und als er sich mühsam aufrichten wollte, fiel ihm ein großer, schwerer Wassertropfen von der Nase. Wild starrte ich auf den Mann, reckte den Kopf weit hinaus, und meine Hand mit den gespreizten Fingern fuhr wie ein Florettdegen zwischen die Gräser. Wütend riß ich einen Halm samt Wurzel aus der Erde und hob ihn triumphierend in die Höhe.„Hier, Rolf! Hier ist der Mann I" schrie ich laut in den frühen Morgen hinein. Als wir dann den Mann genauer betrachteten, da war es ein Kreuzwurzelstengel. „Wilder Weizen", meinte Rolf sachkundig. Unser Blick fiel auf die durchsonnten Höhen jenseits des Tales; die erste Nacht im Zeit war überstanden!

Lügen haben kurze Beine

Eines Nachts – ich muß so um die 20 Jahre alt gewesen sein – ging ich zu Fuß die paar Kilometer zwischen Gevenich und Faid durch den Wald nach Hause. Ich kam von einem Junggesellenfest und hatte schon das ein oder andere Bier zuviel getrunken, war also nicht mehr der sicherste auf den Beinen. Da aber Vollmond war, sah ich noch recht viel und kam auch ganz gut voran. Bis zu diesem Tage machte es mir nichts aus, alleine und noch dazu nachts durch den Wald zu gehen... Ich hatte schon mehr als die Hälfte meines Weges zurückgelegt, da hörte ich plötzlich hinter mir schnelle Schritte. Noch bevor ich mich umdrehen konnte, um nach zu sehen, wer da vielleicht noch vom Fest aus durch den Wald nach Hause wankt, sprang mir plötzlich dieser Jemand ins Kreuz, hielt sich an mir fest und blieb "huckepack" auf meinem Rücken hängen. Natürlich dachte ich zuerst an einen schlechten Scherz meiner Freunde. Sie hatten mich bestimmt heimlich verfolgt und wollten sich totlachen, wenn ich vor Schreck anfinge zu schreien oder mir in die Hose mache würde! "Na Klasse! Toll gemacht von Euch!",rief ich also in den Wald, noch immer meine Last auf dem Rücken tragend, ohne erkennen zu können, wer es denn nun war. Ich bekam keine Antwort. Da mir mein Gast auf dem Rückenaber nun langsam zu schwer wurde und ich keine Lust hatte, auch noch mit ihm zu stolpern und meine Kleidung zu verdrecken, versuchte ich die Last abzuschütteln. Wer immer es auch war,er klammerte sich mit einem unheimlich festen Griff an mir fest und sagte kein einziges Wort. "Na gut, ihr habt mich zu Tode erschreckt. Ich zittere vor Angst. Ihr könnt euch jetzt zeigen!", rief ich erneut in den dunklen Wald, ohne jedoch Antwort zu bekommen. Da mein Passagier immer noch nichts sagte, versuchte ich, ihn zum Reden zu bringen. "Wer bist du? Was soll das?", fuhr ich ihn an. Keine Antwort. Soweit ich mich umdrehen konnte –daran, ihn abzuschütteln war immer noch nicht zu denken– erkannte ich jedoch einen Mann von vielleicht 60 Jahren mit einer Bekleidung, die mehr als nur altmodisch war. Er trug einen weiten Umhang und einen breitkrempigen Hut, der fast sein ganzes Gesicht verdeckte. Er schien mich und meine Anstalten ihn loszuwerden gar nicht zu beachten! Ich war jetzt auf 180! "Sofort los lassen! Jetzt reicht's aber!", rief ich und schüttelte mich wie wild hin und her. Kein Erfolg. Der Kerl saß immer nochfest wie angewachsen und sagte keinen Ton. Von meinen Freunden, die ich ja anfangs hinter der ganzen Sache vermutete, war nichts zu entdecken. So langsam wurde mir das alles unheimlich und ich beschleunigte meinen Schritt trotz der Last, um wenigstens aus dem Wald heraus zu gelangen. Vielleicht war in Faid ja noch jemand so spät unterwegs, der mir helfen könnte – oder die Lichter des Ortes würden den Mann auf meinem Rücken vertreiben!

Als ich noch nicht ganz aus dem Wald herausgetreten war, war meine Last plötzlich verschwunden. Obwohl ich mich sofort umdrehte, sah ich nichts mehr von meinem unheimlichen Begleiter. Es knackte noch ein paar mal etwas weiter entfernt im Unterholz, dann war Ruhe. Ich setzte meinen Weg nach Hause fort und grübelte darüber nach, ob ich vielleicht so betrunken war, daß ich mir das alles nur eingebildet hatte. 'Nein. So viel hast du nun wirklich nicht getrunken', dachte ich noch, bevor ich dann endlich zu Hause im Bett lag und einschlief.

Nach ein paar Tagen war ich der festen Überzeugung, mir das alles nur eingebildet zu haben. Eines der Bierchen auf dem Fest war wohl schlecht gewesen... Zwei Wochen später fand in unserem Ort die Kirmes statt. Nach dem Festumzug setzte ich mich mit meinen Freunden in das Festzelt und wir hörten der Blasmusik zu und erzählten uns dies und das. Am Nachbartisch saßen ein paar ältere Männer bei ihrem Bier und unterhielten sich– infolge der Musik und ihrer vereinzelten Schwerhörigkeit – so laut, daß ich fast alles mithörten konnte. "Ja, ja. Lügen haben kurze Beine!",rief einer von ihnen – worüber sie gerade redeten,wußte ich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt leider nicht. "Und der alte Scheffe springt dir auf den Buckel!", entgegnete ein anderer und alle lachten laut los. Wie? Was? Wer springt hier wem auf den Rücken? Ich zuckte zusammen, plötzlich dachte ich wieder an mein Erlebnis im Wald. Ich tat, als wäre nichts geschehen und wandte mich wieder meinen Freunden zu.

Als es später wurde, löste sich die gesellige Runde der alten Männer allmählich auf. Gegen 23 Uhr war nur noch der 72jährige Willi Schmitz übrig, der wohl noch ein wenig der Musik lauschen wollte. Ich bestellte zwei Bier und trat an seinen Tisch. "Darf ich mich zu euch setzten?", sprach ich ihn an und er nickte. Als unsere Gläser gebracht wurden fragte er,wie er denn zu der Ehre käme, eingeladen zu werden. "Ich habe eine Frage an dich, und ich hoffe du kannst sie mir beantworten.", sagte ich ihm geradeheraus. "Aber gerne doch. Wenn ich für jede Frage, die du mir stellst, ein Bier bekomme, können wir noch lange sitzen bleiben!", lachte er. "Ich habe eben zufällig gehört, wie einer an eurem Tisch sagte,daß jemandem der alte Scheffe auf den Buckel springen würde und darauf alle gelacht haben. Was hat es mit diesem Spruch auf sich?", fragte ich Willi Schmitz. "Ach, das ist ein alter Spruch, wenn jemand schwindelt. Den gibt's auch nur in Faid und Gevenich soweit ich weiß. Was ein Scheffe ist, weißt du doch hoffentlich?" Ich nickte. "Scheffe" ist die volkstümliche Bezeichnung für den Bürgermeister und stammt wohl ursprünglich von dem heute noch gebräuchlichen Wort "Schöffe" ab, was aber einen Beisitzer bei Gericht meint. "Nun, das ist eine alte Geschichte vom Ende des 17. Jahrhunderts. Mir hat sie meine Großmutter vor nun bestimmt schon 65 Jahren erzählt. Die meisten älteren Leute im Ort kennen sie noch – aber ihr jungen Leute...""Bitte! Erzähle sie mir!", fast flehte ich ihn an. Jetzt war ich neugierig geworden. Er fuhr fort zu erzählen. Im Jahr 1686 gab es einen Streit zwischen den Gemeinden Faid und Gevenich um ein kleines und eigentlich unbedeutendes Stück Wald, welches auf der Grenze zwischen den beiden Gemarkungen gelegen ist. Der Streit kam auf, als ein Gevenicher Bürger das Geweih eines kapitalen Hirsches in diesem Waldstück fand und mit nach Hause nahm. Es stammte von einem seltenen Zwölfender und sollte über dem Eingang der Gevenicher Amtsstube angebracht werden. Ein Mann aus Faid jedoch hatte dies gesehen. Er forderte das Geweih für seinen Ort ein, da es ja – seiner Ansicht nach – auch im Faider Wald gefunden worden sei.

Die Bürgermeister und die Pfarrer beider Orte wurden zur Schlichtung herbei gerufen, ohne jedoch, daß es zu einer Einigung kam. Auch in den Unterlagen über die Grenzen und Besitztümer der Gemeinden fand sich nichts, was die Zugehörigkeit des kleinen Waldstückes festlegte. Da aber nun auch keiner der Amtsträger auf die Vergrößerung seines Ortes – und sei es auch nur um diesen kleinen Flecken– verzichten wollte, brach ein regelrechter Streit zwischen den beiden Nachbargemeinden aus, der über Wochen andauerte.

Als dies nun in der Kreisstadt Cochem bekannt wurde, setzte der Amtsrichter Cornelius einen Ortstermin an dem betreffenden Wäldchen an, an dem die Beteiligten ihre Besitzansprüche vortragen sollten. Nach den vorgebrachten Argumenten, werde er dann entscheiden, zu welchem Ort der Wald gehöre, oder ob er zwischen beiden Orten aufgeteilt werde.

Zum verabredeten Zeitpunkt trafen sich also Richter Cornelius, die Pfarrer beider Orte, der Faider Bürgermeister Clemen sMühlen und auch viele einfache Leute aus Faid und Gevenich im Wald. Nur Hieronimus Kessler, der Scheffe von Gevenich, war nicht zu sehen. Er hatte sich wohl verspätet und so wartete man noch ein wenig auf sein Eintreffen." "Und dann?", gebannt hing ich an den Lippen von Willi Schmitz. Ich bestellte noch zwei Bier. Der alte Mann trank einen kräftigen Schluck, sah mich zufrieden an und erzählte weiter. Als man gerade ohne Hieronimus Kessler anfangen wollte, die Sachlage zu klären, erschien der Gevenicher Bürgermeister doch noch. Außer einem für diesen Anlaß eigentlich unpassenden großen Zylinder und hohen Reitstiefeln trug er ein geradezu unverschämtes Grinsen im Gesicht. Der Amtsrichter begann mit der Befragung der einzelnen Beteiligten. Immer noch wunderten sich alle über den überlegenen Gesichtsausdruck des Scheffen Kessler. Er galt als äußerst gerissener Mann. Was mochte er wohl im Schilde führen? Als nun die Reihe an ihm war, sich zuäußern, trat er in die Mitte der Menge und sah die Umstehenden triumphierend an. Er hob die rechte Hand zum Schwur und sprach mit kräftiger Stimme: "So wahr, wie der Schöpfer über mir ist, so wahrhaftig stehe ich auch hier auf Gevenicher Land!"

Der Fall war entschieden. Einem Schwur auf Gott den Allmächtigen war nichts entgegenzusetzen und so wurde die Versammlung damit beendet, daß der Protokollführer des Richters ein Schriftstück aufsetzte, in dem das Waldstück der Gemeinde Gevenich zufiel.

Da der Herr Scheffe Kessler hier vor angesehen Leuth seyn hochheylig Schwuhr that,ißt die Streytfrag gelöset, welcher der zwey Gemeyndendas Stueckchen Wald zwischen Faid und Gevenich zusteht. Bis zumjüngsten Gerichthe des allmächthigen Herren also soll eszu Gevenich gehören. Im Jahre des Herren 1686, am siebzehntenJuley gezeichnet vor vielerley Zeugen.

stand in der Urkunde, die Richter Cornelius sofort aufsetzen und unterzeichnen ließ. Zwei Wochen nach diesem denkwürdigen Tag, erkrankte Hieronimus Kessler schwer. Nur fünf Tagespäter war abzusehen, daß er diese Erkrankung nicht überleben würde, obwohl er eigentlich ein Mann mit einer ungewöhnlich guten Konstitution war. Als der Priester des Ortes zu ihm gerufen wurde, um dem Bürgermeister ein letztes Mal die Beichte abzunehmen und dem Todgeweihten die Sterbesakramente zu geben, machte Kessler diesem ein Geständnis.

"Ich habe den Herrn geschmäht und verraten mit meinem unheiligen Schwur. Dies ist die Strafe für alles!", schluchzte er."Was meinst du, mein Sohn?", fragte der Pfarrer. "Ihr wart doch dabei, Hochwürden. Der Schwur im Wald. Ich lästerte Gott vor euer aller Augen und Ohren." "Wie das?", fragte der Geistliche, der den Schwur ja selbst erlebt hatte. "Erinnert ihr euch an den Zylinder den ich trug? Unter ihm versteckt hielt ich die Schöpfkelle meiner Frau – das war 'der Schöpfer, der über mir ist',", heulte er auf, "und das 'Gevenicher Landauf dem ich stehe' stammte aus meinem Garten und steckte in meinen Reitstiefeln...!" Der Bürgermeister starb noch am selben Tage. Da der Pfarrer ein geschwätziger Mann war und das Geständnis Kesslers nicht während der Beichte fiel, machte die List des Gevenicher Scheffen schnell die Runde. Obwohl einige Bürger aus Faid diesen nun anfechten wollten, blieb der Rechtsakt über den Wald bis in die heutige Zeitgültig.

Die Geschichte von dem unheiligen Schwur des Bürgermeisters wäre wohl vergessen worden, wenn ihn nicht einige Leute in den folgenden Jahren in eben diesem Waldstück gesehen haben wollten. Den Aussagen dieser Zeugen nach, versuche sein Geist dieses Stück Wald zu durchqueren, ohne einen Fuß auf den Boden zu setzen. Er springe dann einfach jemandem auf den Rücken und lasse sich tragen. Daher auch dieser Spruch, mein Junge." Willi Schmitz trank erneut und lachte mich an. Ich bedankte mich bei ihm und ging bald darauf nach Hause. Die Kirmes war jetzt für mich beendet und das Waldstück zwischen Faid und Gevenich habe ich seitdem nie mehr betreten...

Poch! Poch! Poch! - Eine unheimliche Begegnung an Halloween

„Was um Himmelswillen war das?“ Ich wurde durch ein Geräusch geweckt, lag in meinem Bett und hielt den Atem an.

Da! Da war es wieder. Es hörte sich wie ein lautes, dumpfes Klopfen an die Haustüre an.

Poch! Poch! Poch!

Es war der 31. Oktober des Jahres 2003, und ich damals gerade mal 10 Jahre alt. Meine Eltern waren an diesem Abend ins Theater gegangen. „Du bist jetzt schon so groß“, hatten sie zu mir gesagt, „da brauchen wir keinen Babysitter mehr.“ Deshalb war ich alleine zuhause. „Ganz alleine“, fiel mir auf, „und somit auch völlig schutzlos, falls jemand versuchen würde, zu mir in die Wohnung zu gelangen.“

Poch! Poch! Poch!

„Vielleicht“, dachte ich mir erleichtert, „sind es ja auch meine Eltern, die da an die Türe klopfen?“ Ich schaute auf die Uhr. Gerade mal 21.34 Uhr war es und somit eigentlich noch viel zu früh, denn Mama hatte gesagt, dass das Theater erst gegen 23.00 Uhr zu Ende sein würde. Außerdem hatten meine Eltern natürlich einen Haustürschlüssel. „Wenn sie ihn aber verloren haben“, schoss es mir durch den Kopf, „dann stehen sie jetzt unten vor der Haustüre und kommen nicht herein.“ Mir wurde ganz flau im Magen. „Was soll ich denn nur tun?“ Ich fühlte mich richtig hilflos. Papa hatte mir doch ausdrücklich verboten, so spät abends noch die Tür aufzumachen, wenn ich alleine daheim war. Schließlich konnte man ja nie wissen, wer um diese Zeit Einlass begehrte. Ein Einbrecher könnte es sein. Vielleicht ein betrunkener Landstreicher. „Oder gar“, bei dem Gedanken blieb mir vor Angst fast das Herz für einige Sekunden stehen, „ein widerlicher Vampir, der nachts durch die Dunkelheit schleicht, um seinen Hunger nach frischem Blut zu stillen.“

Ich verhielt mich so ruhig, wie ich nur konnte, um das Monster nicht auf mich aufmerksam zu machen und lauschte wie gebannt in die dunkle Nacht hinein. Aber jetzt war es totenstill, nichts war mehr zu hören.

Doch der Gedanke, dass meine Eltern vielleicht vor der verschlossenen Türe stehen könnten, quälte mich so sehr, dass ich es schließlich nicht mehr im Bett aushalten konnte.

„Also gut!” dachte ich mir schließlich. „Vampir hin oder her, ich habe wohl keine andere Wahl, als aufzustehen und nachzusehen, wer oder was da andauernd an unsere Haustüre klopft.“ Die Sorge um Papa und Mama war in mir inzwischen stärker als die Furcht vor einem ungebetenen Besucher. Nur auf den Zehenspitzen schlich ich mich nach unten und robbte mich leise den Boden bis zu dem Fenster, das gleich neben der Türe ist, entlang. Ganz langsam schob ich den Vorhang zur Seite, guckte vorsichtig durch die Scheibe und... !!! Nichts war zu sehen, außer dem finsteren Dunkel der Nacht.

„Puh!“ Mir schlotterten nun doch wieder die Knie vor Angst. „Kein Grund zur Panik. Niemand ist da draußen, niemand will mir etwas Böses antun.“ beruhigte ich mich selbst. „Kein Vampir, kein Einbrecher, aber auch nicht meine Eltern“, was ich schon ziemlich bedauerte. Wie erleichtert wäre ich doch gewesen, wenn Papa und Mama jetzt schon wieder zuhause sein würden. „Aber das macht nichts.“ dachte ich mir und ging in die Küche, um ein Glas Milch zu trinken. Das hilft mir nämlich immer, um besser einschlafen zu können. „Alles ist in Ordnung. Das Theater ist erst nach 23.00 Uhr aus und erst danach kommen sie zurück. Wer immer es gewesen sein mochte, der vorhin an die Tür geklopft hatte, war jetzt nicht mehr da.“ Dann kam ich zu dem Schluss, dass es vielleicht unser Nachbar Herr Dombrowski oder ein anderer Freund meiner Eltern gewesen sein könnte. Aber ganz egal, wer es war, ich würde jetzt wieder schlafen gehen und einfach niemanden in die Wohnung lassen, bis meine Eltern in gut 2 Stunden wieder zuhause waren.

Ich ging nach oben zurück und legte mich in mein Bett. Zufrieden konnte ich noch feststellen, wie herrlich ruhig es nun war, bevor ich anscheinend langsam eingedöst sein musste. Ich schlief tief und fest, als ich plötzlich...

Poch! Poch! Poch!

...brutal von einem erneuten Klopfen an die Türe aus meinen Träumen gerissen wurde.

„Mist!“ dachte ich mir und ich spürte, wie der Angstschweiß förmlich begann, mir wieder den Rücken runter zu laufen. „Es ist noch nicht zu Ende. Wer oder was auch immer zu mir in das Haus möchte, ist zurückgekommen.“ Zitternd versteckte ich mich unter der Decke und lauschte „Vielleicht“, dachte ich mir schließlich, „habe ich das letzte Klopfen ja auch nur geträumt.“ Der Gedanke, dass es sich nur um einen Alptraum gehandelt haben konnte, ließ mich gerade etwas zur Ruhe kommen, doch...

Poch! Poch! Poch!

... just in diesem Moment durchbrach dieses garstigste aller Geräusch wieder die Stille. Das Gefühl, sicher zu sein, war von einer Sekunde auf die andere völlig verschwunden und ein lähmendes Gefühl, fast wie eine Ohmacht, machte sich in meiner Brust breit.

Poch! Poch! Poch!

„Ok! Du mieser Einbrecher! Du blödes Monster!“ Schlagartig wurde mir klar, dass ich nicht einfach hier liegen bleiben konnte, um abzuwarten, was passieren würde. Mit dem Mute der Verzweiflung sprang ich auf und lief dieses mal nach unten. „So einfach kriegst du mich nicht, du dummer Vampir!“ Ich stürzte zum Fenster, riss den Vorhang zur Seite und „Da!!!“ bekam vor Schreck fast einen Herzinfarkt, als plötzlich zwei dunkle Schatten draußen an dem Fenster vorbeihuschten, um gleich wieder in der Dunkelheit zu verschwinden.

Ich brauchte einige Sekunden, bis ich wieder Luft bekam und einigermaßen klar denken konnte. Dann lief ich, so schnell wie ich konnte, zum Telefon und wählte die Nummer meiner Mutter. „Verdammt!“ Ich fing vor Verzweiflung zu weinen an, Mama hatte natürlich ihr Handy während der Vorstellung ausgeschaltet.

„Ganz ruhig.“ sprach ich mir wieder Mut zu. Kein Problem. In Notfällen, das hatte Mama extra gesagt, konnte ich jederzeit unseren Nachbarn, Herrn Dombrowski, anrufen. Mit zitternden Fingern suchte ich im Telefonbuch nach der Nummer, wählte, es tutete und – endlich – meldete sich am anderen Ende die freundliche Stimme unseres Nachbarn: „Dombrowski.“ „Hallo Herr Dombrowski. Hier ist Tim Müller von nebenan. Bitte...“ meine Stimme überschlug sich vor Aufregung, „hier bei mir sind Einbrecher. Bitte kommen sie schnell rüber!“
„Ganz ruhig Tim, ich komme sofort!“

Poch! Poch! Poch!

Es klopfte schon wieder und der Schreck ging mir durch Mark und Bein. „Gleich kommt Herr Dombrowski! Alles wird gut. Gleich kommt Herr Dombrowski!“ versuchte ich mir einzureden, um nicht vor Angst verrückt zu werden.

Poch! Poch! Poch!

„Tim! Ich bin es. Dein Nachbar, Herr Dombrowski. Du musst dich nicht fürchten. Mach auf.“

Ich hatte aber noch wackelige Beine. So wackelig, dass sie mich fast nicht trugen, als ich zum Fenster ging, um zu kontrollieren, ob er es wirklich war. „Gott sei Dank!“ ich schickte vor Erleichterung beinahe ein Gebet zum Himmel hinauf, als ich ihn sah. „Draußen stand tatsächlich mein guter, alter Nachbar. Aber...“ ich musste fest schlucken, „neben ihm standen die zwei finsteren Gestalten von vorhin!“

„Jetzt mach schon auf Tim!“ rief Herr Dombrowski und begann laut zu lachen. „Du Angsthase. Wir haben heute den 31. Oktober. Da ist doch Halloween!“

Ich öffnete die Türe und die zwei dunklen Gestalten neben Herrn Dombrowski entpuppten sich als verkleidete Kinder, die mir mit hellen Stimmen drohten: „Süßes oder es gibt Saures.“

Jonathan und die alte Frau

Jonathan – der damals ungefähr so alt war, wie ihr es heute seid - war kein Feigling, bei Leibe nicht! Aber als es langsam finster wurde und ihm der Schneesturm immer stärker ins Gesicht blies, da bekam er es doch langsam mit der Angst zu tun. Er konnte kaum noch den Weg erkennen und er wusste, dass er noch mindestens eine Stunde bis nachhause brauchen würde.

Natürlich gab es da noch die Abkürzung durch den Wald. Jonathan war sie aber bisher nie gegangen, denn sein Vater hatte ihm das ausdrücklich verboten. „Gehe nie in diesen Wald!“ hatte er gesagt. „Dort geschehen schreckliche Dinge! Viele, die in ihn hineingegangen, sind nie mehr heraus gekommen. Und wenn doch, waren sie nicht mehr die Selben.“

Doch Jonathans Sachen waren pitschnass, und er fror erbärmlich. Wenn er durch den Wald gehen würde, könnte er sich schon bald am Ofen wärmen. Seine Furcht war zwar groß, doch die Aussicht, bald zuhause zu sein, war zu verlockend und so kam es, dass Jonathan den sicheren Weg verließ und hinein in den tiefen, dunklen Wald ging.

Tatsächlich hatte der Wald etwas Unheimliches an sich. Die Bäume waren viel größer, sie mussten uralt sein. Die Luft roch vermodert und kein Laut war zu hören. Es schien fast so, als ob sich schon seit Jahrhunderten kein Mensch an diesen verwunschenen Ort verirrt hätte. Jonathan überlegte kurz, ob er umkehren sollte, doch dafür war er schon zu weit gegangen.

Doch plötzlich, wie aus dem Nichts kommend, durchbrach ein schauerliches Rufen diese Stille. „Jonathan! Jonathan!!“ Jonathan hielt den Atem an und lauschte in den dunklen Wald hinein, doch nichts war mehr zu hören. Vorsichtig ging er weiter. Aber dann, er war noch nicht weit gekommen, hörte er das Rufen erneut. „Jonathan. Jonathan komm her zu mir!“ Sein Herz schlug immer lauter in seiner Brust und er begann zu zittern. „Wer konnte das nur sein? Vielleicht...“ Jonathan wurde für einen Moment ganz froh, „vielleicht sind mir meine Eltern entgegen gegangen.“ Also rief er zurück: „Papa? Mama? Wo seid ihr?“
„Hier... hier bin ich.“ Jonathan konnte ungefähr ausmachen, woher die Stimme kam und ging auf sie zu. Immer tiefer kam er dabei in den Wald hinein und kämpfte sich durch den tiefen Schnee.

Da! Da war es wieder. „Jonathan! Jonathan, hilf mir.“ Der Schneefall war zu dicht, um gut zu sehen, aber trotzdem konnte er eine Gestalt ausmachen, die langsam auf ihn zukam. Zuerst konnte er noch nicht genau erkennen, wer oder was das war, aber als sie näher kam, sah er, dass es eine alte Frau war, die hinter sich einen Schlitten herzog. Jonathan war enttäuscht, dass es nicht seine Eltern waren. Doch auch erleichtert, denn diese Alte würde ihm wohl nichts Böses wollen.
„Ich habe dich noch nie gesehen, alte Frau.“ sagte Jonathan, „Woher kennst du meinen Namen?“
Da lachte die Alte, dass man ihre schiefen, gelben Zähne sehen konnte. „Hä, hä, hä. Wenn man so alt ist, dass man alle Bäume des Waldes hat aufwachsen sehen, weiß man alles, auch den Namen eines kleinen Jungen, wie du einer bist.“ Sie war uralt und hässlich! Ihr langes, weißes Haar fiel ihr über das faltige Gesicht, sie hatte einen riesigen Buckel und stank furchtbar, fast wie Schwefel.

Jonathan wurde es wieder ziemlich mulmig zu Mute. „Was willst du von mir, alte Frau?“ fragte er sie. „Schau“, sagte die Alte, „auf dem Schlitten hinter mir ist Brennholz, das ich brauche, um meine Hütte zu heizen. Ich bin alt und es fällt mir schwer, den Schlitten den ganzen weiten Weg zu ziehen. Du, Jonathan bist aber noch jung, deshalb sollst du mir dabei helfen!“
Jonathan wollte aber nicht länger mit dieser unheimlichen Frau alleine in dem verwunschenen Wald bleiben. Er nahm allen Mut zusammen und sprach: „Nein Alte, ich kann dir nicht helfen, ich habe keine Zeit, weil meine Eltern zuhause auf mich warten.“
„Überlege dir gut, ob du mir nicht doch helfen willst.“ sprach die Alte und packte Jonathan an der Schulter.
„Nein!“ rief Jonathan. „Ich helfe dir nicht.“
„Das wirst du noch bereuen, mein Kleiner.“ antwortete die Frau. „Wenn du mir nicht hilfst, wirst du, noch ehe du den Waldrand erreichst, so alt sein wie ich.“
Jonathan riss sich los und lief, so schnell er nur konnte davon. Doch trotzdem konnte er noch hören, was ihm die Alte nachrief: „Jonathan, oh Jonathan. Eben noch ein Junge – bald ein alter Mann!”

Jonathan rannte, was seine Beine hergaben. Doch er kam ziemlich schnell aus der Puste und musste stehen bleiben. Was war nur plötzlich los mit ihm? Seine Beine taten weh und konnten ihn fast nicht mehr tragen. Dann fiel sein Blick auf seine Hände, und er erschrak furchtbar: sie waren so faltig, wie das Gesicht der Alten! Er musste endlich raus aus diesem verwunschenen Wald, Gott sei Dank war es nicht mehr weit. Doch Jonathan wurde immer langsamer. Schließlich konnte er nur noch ganz zaghafte Schritte machen und blieb bald erneut vor Erschöpfung stehen. Irgendetwas juckte furchtbar in seinem Gesicht. Er sah an sich herab und wurde wie vom Blitz getroffen, als er merkte, dass er einen schlohweißen, langen Bart hatte, der ihm bis zu seinem Bauch hinab hing. „Oh mein Gott!“ schrie er vor Entsetzen. Die Alte hatte mit ihrem Fluch recht behalten – Jonathan war in nur wenigen Minuten zu einem alten Mann geworden!

„Was soll ich nur machen?“ Jonathan begann fürchterlich zu weinen. „So kann ich nicht nachhause zu meinen Eltern gehen.“ Der nächste schreckliche Gedanke schoss ihm durch den Kopf. So alt wie er jetzt war, würde er sterben, noch bevor er den Wald verlassen könnte. Sollte sein Leben, das doch erst begonnen hatte, schon so bald vorbei sein? Jonathan war verzweifelt.

Doch dann dachte er daran, wie der Fluch der alten Frau genau gelautet hatte. „Wenn du mir nicht hilfst,“ hatte sie gesagt, „wirst du, noch ehe du den Waldrand erreichst, so alt sein wie ich.“ Jonathan wiederholte in Gedanken diese Worte: „Wenn du mir nicht hilfst.“ „Vielleicht“, Jonathan schöpfte plötzlich Hoffnung, „vielleicht kann ich den Fluch besiegen, wenn ich nochmals zu der Alten gehe und ihr diesmal helfe, den schweren Schlitten zu ziehen.“ Eine andere Wahl hatte er wohl nicht und deshalb machte er sich, so schnell er noch konnte, auf den Weg zurück.

Doch in seinem Zustand war das alles andere als leicht. Er wurde immer noch älter und mittlerweile fiel ihm jeder Schritt so schwer, als wenn er früher eine Stunde gelaufen war. Dauernd musste er Pausen einlegen, um sich auszuruhen. Der Schneesturm blies ihm ins Gesicht, und er konnte den Weg zurück kaum finden. Vielleicht, da war sich Jonathan nicht sicher, waren auch seine Augen aufgrund seines hohen Alters einfach so schlecht geworden.

Hatte er vorhin nur wenige Minuten gebraucht, so kam ihm der Weg zurück wie Tage vor. Er fürchtete deshalb auch, dass er die Alte gar nicht mehr finden würde. Doch ohne sie, dass wusste er, war er dem Tode geweiht.

„Alte Frau!“ rief Jonathan. Hier ungefähr musste es gewesen sein, wo er vorher auf die Alte getroffen war. „Alte Frau, wo bist du?“
Dann, wieder wie aus dem Nichts auftauchend, hörte er plötzlich ihr böses Lachen hinter sich. „Jonathan, oh Jonathan. Eben noch ein Junge – jetzt ein alter Mann!“ „Bitte, alte Frau“, Jonathan fiel vor der Alten auf die Knie, „bitte hilf mir und lass mich nicht sterben!“
Die Alte lachte erneut. „Hilfst du mir, helfe ich dir.“ Sie spannte den alten Jonathan vor ihren Schlitten.
Mit seiner letzten Kraft begann Jonathan, den schweren Schlitten zu ziehen. Doch das war für einen Greis, wie er jetzt einer war, viel zu anstrengend, und er fühlte, wie das Leben langsam aus ihm wich. „Bitte alte Frau,“ wimmerte er, „erlasse mir diese Arbeit. Wenn ich den Schlitten weiter ziehen muss, werde ich sterben.“
„Ganz im Gegenteil“, sprach die Alte. „Wenn du den Schlitten weiter ziehst, wirst du wieder jung.“

Und tatsächlich, Jonathan spürte auf einmal, dass ihm jeder Schritt etwas leichter fiel. Der lange Bart in seinem Gesicht verschwand und die Kraft kehrte in seinen Körper zurück. Als sie schließlich die Hütte der alten Frau erreicht hatten, war er wieder ein Knabe.

„Ich bin wieder jung!“ schrie Jonathan vor Freude. „Danke alte Frau! Vielen Dank!“ „Lass dir das eine Lehre sein.“ sprach die Alte. „Hilf in Zukunft, wenn man dich braucht! Und noch was: Auch du wirst eines Tages alt sein. Das geht schneller, als du denkst. Also nütze jeden Tag in deinem Leben!“

Jonathan rannte so schnell er konnte nachhause und umarmte seine Eltern. Von da an lebte er glücklich und zufrieden und nutzte jeden Tag, so wie es ihm die alte Frau mit auf den Weg gegeben hatte, denn er wusste jetzt, wie es war, alt zu sein.

Goldie, der Hamster

Es war einmal ein kleiner Junge namens Timmy, der lebte zusammen mit seinem Vater in einer Stadt ganz hoch oben im Norden Deutschlands.

Zu seinem 11. Geburtstag wünschte sich Timmy von seinem Papa einen Hamster. „Timmy!“ hatte sein Vater daraufhin streng zu ihm gesagt, „ein Haustier zu haben, bedeutet eine große Verantwortung. Wenn ich dir wirklich einen Hamster schenke, musst du ihn täglich füttern, seinen Käfig sauber halten und immer gut zu ihm sein. Versprichst du mir, dass du das auch alles machen wirst?“
„Ja, Papa“ antwortete Timmy, „ich verspreche es dir! Ich werde mich immer um meinen Hamster kümmern und ihn ganz, ganz toll lieb haben.“
„Gut“, meinte sein Vater, „du bist alt genug und ich vertraue dir, wenn du mir dein Wort gibst. Du sollst deinen Hamster zum Geburtstag bekommen.“

Endlich kam der große Tag. Timmy war schon richtig ungeduldig und weckte seinen Vater schon sehr früh. „Papa! Papa, du musst aufstehen und mit mir in die Tierhandlung fahren.“
„Mensch Timmy“, grummelte sein Vater verschlafen, „ich will noch ein wenig im Bett bleiben. Aber sobald ich gefrühstückt habe, fahren wir los.“
Timmy strahlte über das ganze Gesicht: „Oh Mann, Papa! Ich will aber einen ganz schönen Hamster! Darf ich mir ihn selber aussuchen?“
„Aber sicher.“ meinte sein Vater. „Und jetzt lass mich noch ein Stündchen schlafen.“

Bereits am frühen Vormittag waren die zwei wieder von der Tierhandlung zuhause, beziehungsweise waren sie jetzt ja eigentlich zu dritt: Timmy, sein Papa und ein niedlicher, schwarz-braun gefleckter Hamster.

Timmy war überglücklich. Sein Papa half ihm dabei, den Käfig mit einem kleinen Haus für den Hamster in seinem Zimmer aufzubauen und die Futterspender sowie das ebenfalls neu gekaufte Laufrad zu montieren. Dann konnte „Goldie“, so hatte Timmy seinen neuen Freund getauft, auch schon sein neues Heim beziehen. „Vielen Dank!“ sagte Timmy zu seinem Vater, als die beiden zusammen den kleinen Nager beobachteten. „Goldie ist das schönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe.“

Doch schon in den nächsten Tagen musste Timmy leider feststellen, dass ein Hamster doch nicht das Haustier war, das er sich erwartet hatte. Tagsüber, wenn er mit ihm spielen wollte, schlief Goldie tief und fest. Dafür machte er nachts einen Höllenlärm und lief stundenlang in seinem Rad. Auch hatte Timmy die Arbeit, die ein Haustier machte, ziemlich unterschätzt. So musste er täglich das Trinkwasser wechseln, die Futterbehälter auffüllen und den Kot des Hamsters entfernen. Vor allem das andauernde Käfig putzen nervte Timmy bald sehr, denn der Dreck von Goldie stank richtig eklig.

So kam es, dass Timmy schon nach wenigen Wochen jegliche Freude an dem Tier verloren hatte und Goldie nur noch als lästiges Übel empfand. Immer seltener putzte er missmutig den Hamsterkäfig und bald ließ er es ganz bleiben.

Als Timmy eines Tages von der Schule heimkam, empfing ihn sein Vater mit ernster Miene. „Timmy, der Hamsterkäfig ist total verdreckt. Der arme Goldie! Jetzt sieh dir mal sein Wasser an, das stinkt ja richtig. Und zu fressen hat er auch nichts.“ Timmy unterbrach die Schimpftiraden seinen Vaters. „Du Papa, ich wollte dich sowieso etwas fragen.“
„So, was denn?“ wollte sein Vater wissen.
„Können wir den Goldie nicht wieder zurück in die Tierhandlung bringen? Ich mag ihn nicht mehr haben.“
„Nein, das kommt ja gar nicht in Frage!“ knurrte ihn sein Papa an. „Du wolltest unbedingt einen Hamster haben und hast versprochen, dass du gut für ihn sorgen wirst. Jetzt wirst du dein Versprechen auch halten.“
„Aber...“ wollte Timmy sich rechtfertigen.
„Nichts aber...“; wies ihn Vater zurecht. „Goldie bleibt. Basta! Jetzt putz seinen Käfig, sonst gibt es Ärger junger Mann!“ Vater verließ das Zimmer.

„Blöder Hamster!“ Timmy wollte sich gerade an die Arbeit machen, als Goldie aus seinem Häuschen herauskam und ihn ansah. „Blöder Hamster!“ wiederholte Timmy. „Nie kann ich mit dir spielen, immer machst du nur, was du willst und kackst alles voll.“ Timmy war so wütend auf den kleinen Kerl, dass er die Käfigtüre aufmachte, Goldie packte und ihn quer durch das Zimmer warf. Der Hamster schlug hart auf dem Boden auf, quiekte vor Schmerz laut auf, berappelte sich wieder und lief unter Timmys Bett. Doch der beachtete ihn nicht weiter und machte sich daran, den Käfig zu säubern.

Als er schließlich damit fertig war, suchte Timmy überall in seinem Zimmer nach dem Goldie, um ihn in den Käfig zurückzusetzen, aber er konnte ihn nirgends finden. „Dummer Hamster!“ dachte sich Timmy erneut. „Der hat sich wohl versteckt, aber das ist mir auch egal. Von mir aus kann Goldie auch für immer wegbleiben.“

In diesem Moment kam sein Vater zur Türe herein und sah sich den geputzten Käfig an. „Na also“, lobte er Timmy. „Das hast du gut gemacht. Wo ist denn der Hamster.“ „Er schläft wie immer in seiner Hütte.“ log ihn Timmy an.

Als es Abend wurde und Timmy zu Bett ging, war Goldie noch immer nicht aufgetaucht. „Macht nichts“, dachte sich der Junge, „den suche ich morgen“ und schlief ein.

Mitten in der Nacht wurde Timmy durch ein lautes Kratzen wach und öffnete die Augen. Der Vollmond schien zum Fenster herein. Timmy seufzte „Blöder Goldie, kannst du mich denn nicht mal eine Nacht in Ruhe schlafen lassen?“ und drehte seinen Kopf zu der Seite, aus der das Geräusch kam.

„AAAAHHHHH!“ Timmy schrie laut auf. Neben seinem Bett stand ein riesiges, zotteliges Monster und gaffte ihn aus großen, rot leuchtenden Augen böse an. Timmy begann schlagartig am ganzen Körper wie Espenlaub zu zittern und schrie, so laut er konnte, um Hilfe. Doch niemand kam, um ihm beizustehen. Timmy hielt den Atem an und machte in Gedanken schon sein Testament, denn er rechnete fest damit, dass ihn das Monster in der nächsten Sekunde in 1000 Stücke reißen würde. Und tatsächlich: Die Bestie machte einen Schritt auf Timmy zu, stand jetzt direkt neben seinem Bett, beugte sich über ihn, fuhr eine seiner riesigen Pranken aus, packte Timmy damit am Kragen, hob ihn zu sich hoch, öffnete sein fürchterliches Maul... und knurrte Timmy mit einer furchtbar dunklen Stimme an „Timmy! Timmy! Warum hast du mir das angetan?“
Timmy war sich sicher, dass ihn das Biest nun auffressen würde. Er nahm deshalb all seinen Mut zusammen und stotterte: „Wer... wer bist... du?“
„Du willst wissen, wer ich bin?“ röhrte das Monster. „Schau mich mal genau an, dann wirst du erkennen, wer ich bin.“
Timmy wagte nicht, seinen Blick auf das Untier zu richten, weil es so hässlich war. Aber ihm blieb keine andere Wahl. Also öffnete er die Augen und sah sich das Monster genauer an. Es hatte ein schwarz-braunes, zotteliges Fell, vier riesige Pfoten, einen Stummelschwanz und im Gesicht eine Art Hamsterbacken.... da fiel es Timmy wie Schuppen von den Augen. „Goldie? Bist du das?“
„Jaaaaa“, knurrte der Monsterhamster. „Ich bin Goldie und ich bin hier, um mich für alles zu rächen, was du mir angetan hast!“ Die Bestie fletschte die Zähne, riss sein Maul auf und....

„Oh mein Gott!“ Timmys Herz raste wie verrückt, und er rang um Luft. Dann merkte er, dass alles nur ein schrecklicher Alptraum gewesen war, aus dem er soeben aufgewacht war. „Puh!“ Timmy schnaufte tief durch und schaltete das Licht an und... erschrak furchtbar. Auf seiner Bettdecke saß Goldie, machte Männchen und sah ihn an. Allerdings, und dass stellte Timmy mit großer Erleichterung fest, handelt es sich wieder um den kleinen, lieben Goldie.

Timmy richtete sich auf, nahm den Hamster in seine Hand und sagte zu ihm „Mensch Goldie, mach so was nie wieder, du hast mich fast zu Tode erschreckt.“

„Und du hast mir wahnsinnig wehgetan!“ knurrte Goldie. „Mach so was nie wieder, sonst komme ich in der nächsten Vollmondnacht zurück und fresse dich doch noch auf.“

Alleine in der Nacht

Es war schon spät, als ich in jener düsteren Nacht von der Disco aufbrach, um mich auf den Heimweg zu machen. Bereits nach wenigen Metern war ich aufgrund des heftigen Regens nass bis auf die Haut und fror erbärmlich.

„Elendes Dreckswetter“, dachte ich mir und stapfte frustriert durch eine große Wasserlake. Da ich mir aber keine Erkältung holen wollte, beschloss ich, eine Abkürzung zu nehmen und bog in eine kleine Seitengasse ein. Die Gegend hier schien ziemlich verlassen zu sein und wirkte recht düster. Ich überlegte bei diesem unheimlichen Anblick kurz, ob ich nicht doch lieber den normalen Weg gehen sollte, aber dazu hätte ich wieder ein ganzes Stück zurücklaufen müssen. Also ging ich weiter durch den, um diese Zeit, menschenleeren Vorort in die dunkle Nacht hinein, obwohl mir dabei überhaupt nicht wohl war. Irgendetwas beunruhigte mich, ich konnte aber nicht mit Gewissheit sagen, was es genau war. Vielleicht lag es auch nur an dieser ungewöhnlichen Stille? Ich verharrte einen Augenblick und lauschte: Nichts. Außer dem rhythmischen Quietschen, das meine Schuhe beim Gehen auf der nassen Straße veranstalteten, herrschte eine fast gespenstische Ruhe. Aber das beruhigte mich überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil - ich hatte auf einmal dieses unerklärliche, dumpfe Gefühl, dass ich hier draußen nicht alleine war. Doch als ich mich umdrehte, war kein Mensch zu sehen.

Diese verdammte Vorahnung, dass etwas sehr Schlimmes geschehen würde, war noch da und wurde immer stärker. Wie ein schwarzer Schatten lag sie auf meiner Seele und drohte mich fast zu erdrücken. Ich bemerkte, dass meine Schritte schneller wurden, und es war nicht der Regen alleine, der mich zur Eile anhielt. Irgendwer oder irgendwas war heute Nacht hinter mir her, das konnte ich jetzt ganz deutlich spüren.

Ich hatte die schmale Seitengasse fast zur Hälfte hinter mir gelassen, als ich ein Geräusch hörte. Es konnte zwar alles mögliche gewesen sein, vielleicht eine Katze, die miaute oder jemand hatte in der Nähe ein Fenster geöffnet. In meinem momentanen, angeschlagenen Gemütszustand reichte es völlig aus, um mich von einem Moment auf den anderen in schiere Panik zu versetzen. Ich blieb wie versteinert stehen und blickte mich ängstlich nach allen Seiten um. Doch wieder konnte ich auf der schlecht ausgeleuchteten Straße nichts erkennen, das meine Angst in irgendeiner Form gerechtfertigt hätte.

„Vielleicht,“ plötzlich kam mir dieser Gedanke und ich musste kurz über mich selber lachen „sollte ich in Zukunft einfach nicht mehr so viel Alkohol trinken wie heute Abend. Das Zeug macht mich ganz verrückt.“ Außerdem stellte ich zu meiner großen Erleichterung fest, dass ich es nicht mehr weit bis Nachhause hatte. Was sollte mir auf diesen letzten paar hundert Metern schon noch Schlimmes passieren?

Aber ich hatte mich zu früh gefreut! „Da! Da war es wieder. Genauso schnell, wie es eben verschwunden war, tauchte das Geräusch erneut aus der Stille der Nacht auf. Und diesmal hörte es sich nach einer Art Keuchen oder Schnaufen an. Als ich dann noch merkte, dass das Geräusch eindeutig immer lauter wurde, begannen meine Füße vor lauter Furcht zu laufen, ohne dass ich ihnen dazu den Befehl erteilen hätte müssen. Bald rannte ich, so schnell ich konnte, doch es half nichts. Ich spürte förmlich, wie der heiße Atem meines Verfolgers von Sekunde zu Sekunde näher rückte und mir wurde schlagartig klar - es würde kein Entkommen für mich geben!

„Oder vielleicht doch?“ Zwischen zwei Häusern am Straßenrand entdeckte ich eine kleine, versteckte Nische. Sofort schlug ich einen Haken und schlüpfte rasch in die schützende Dunkelheit, die dieser Mauervorsprung mir bot. Da stand ich nun, vor Angst schlotternd und befürchtete, dass mich mein lautes Schnaufen verraten würde. Ich versuchte deshalb mich zu beruhigen, drängte mich noch fester gegen die Hauswand und wartete zitternd, was als nächstes passieren würde. Doch außer dem Regen, der in schweren Tropfen auf das Blechdach über mir prasselte, war nichts mehr zu hören. Ich verharrte noch zwei, drei Minuten, aber da alles friedlich blieb, wagte ich mich schließlich aus meinem Versteck. Ängstlich tastete ich mich an der Mauer entlang und blickte vorsichtig um das Hauseck auf die Strasse. Keine Menschenseele war zu sehen. Langsam zweifelte ich wirklich an meinem Verstand. Hatte ich mir denn das etwa alles nur eingebildet? "Hallo", rief ich, um ganz sicher zu gehen. „Ist da jemand?“ Doch niemand antwortete.

Aber ich war nicht verrückt. Ganz und gar nicht. Denn im gleichen Augenblick, in dem ich die Straße wieder betreten hatte, kehrte auch das grässliche Schnaufen zurück und es war diesmal lauter als zuvor. „Verdammt!“ schoss es mir durch den Kopf. „Wer mich auch immer verfolgt, er ist zurückgekommen, um mich endgültig zu holen. Nochmals wird er sicher nicht so blöd sein, sich von mir überlisten zu lassen.“

Und so begann ich wieder zu laufen. Ich rannte, wie nie zuvor in meinem Leben. Mein Herz trommelte dabei wie wild in meiner Brust, ich konnte fast keine Luft mehr bekommen und hatte bald heftigstes Seitenstechen. „Durchhalten!“ versuchte ich mir selber Mut zu machen. „Es ist nicht mehr weit, gleich bist du in Sicherheit.“ Aber das Schnaufen hinter mir wurde lauter und lauter und drohte mich in Kürze einzuholen. Ich wagte nicht mehr, mich umzudrehen. Zu groß war mittlerweile meine Angst davor, zu sehen, wer mir da tatsächlich an den Fersen klebte.

Jetzt hatte ich es fast geschafft! Nur noch um die letzte Kurve und dann war ich schon so gut wie zuhause. Ich sprintete in vollem Tempo über die Straßenkreuzung und versuchte dabei, meinen Haustürschlüssel aus der Jackentasche zu ziehen, damit ich ihn an der Haustüre gleich parat hatte und umgehend aufsperren konnte.

„Klickklickklick!“ Der Schlüssel war mir aus der nassen Hand geglitten und klirrend auf den Gehweg gefallen. Ohne ihn, das war mit sofort klar, würde ich gleich vor einer verschlossenen Türe stehen. „So ein Mist!“ Ich fluchte laut und stoppte abrupt ab. Als ich mich umdrehte, um ihn wieder aufzuheben, traf mich vor Schreck fast der Schlag. Da war sie! Zum ersten mal sah ich die riesige, finstere Gestalt, die mich, laut schnaufend und in einem Wahnsinnstempo verfolgte! Sie war schon viel zu nahe, als dass ich genügend Zeit gehabt hätte, um nach meinem Schlüssel zu suchen. Ich machte gleich auf dem Absatz wieder kehrt und nahm wieder die Beine in die Hand. Sekunden später hatte ich auch schon unser Haus erreicht, aber ohne Schlüssel konnte ich da ja nicht hinein. Und das Keuchen hinter mir kam näher und näher! Verzweifelt klingelte ich Sturm, aber meine Eltern waren wohl schon ins Bett gegangen. Ich wusste, es würde viel zu lange dauern, bis sie mir endlich öffnen würden und wollte deshalb gerade über unseren Gartenzaun springen, als mich plötzlich von hinten eine riesige Pranke packte und...
... ein ziemlich laut schnaufender Mann zu mir sagte. „Hey, warte mal. Du hast eben deinen Schlüssel verloren. Hier hast du ihn.“
Ich zitterte am ganzen Körper, als er ihn mir in die Hand drückte. Das musste er bemerkt haben, denn er fragte: „Oh Entschuldigung, habe ich dich etwa erschreckt?“
„Ja, allerdings, das haben sie wirklich.“ stotterte ich. „Warum um Himmelswillen laufen sie denn auch bei diesem Wetter mitten in der Nacht auf der Straße herum?“
„Ach,“ lachte der Mann, „ich habe diese Woche Nachtschicht und gehe danach gerne noch ein bisschen Joggen.“
„Ach so,“ sagte ich, „sie joggen nur.“
„Ja, ich will nämlich nächsten Monat bei einem Marathon mitlaufen. Aber du bist ja ebenfalls recht schnell.“ staunte er. „Ich hätte dich ja fast nicht mehr eingeholt. Wahrscheinlich läufst du auch sehr viel, oder?“
„Eigentlich nicht.“ antwortete ich und musste dabei ziemlich lachen. „Ich bin sogar ziemlich faul und laufe nur, wenn ich dazu gezwungen werde.“

Der Keller des Grauens

Kathrin liebte Gruselgeschichten über alles. Vor allem solche, die in unheimlichen Ritterburgen spielten, hatten es ihr angetan. Deshalb war sie auch begeistert, als ihre Eltern während der letzten Sommerferien vorschlugen, das alte Schloss, welches hoch oben auf dem Berg über ihrem Urlaubsort stand, zu besichtigen.

Leider wollten ihre Eltern aber unbedingt an einer offiziellen Schlossbesichtigung teilnehmen. Ein grauhaariger Führer, in einer blaugrünen Uniform, leierte wenig später gelangweilt seinen Text herunter, während er die Besuchergruppe durch endloslange Flure und riesige Hallen dirigierte. Ein prunkvolles Gemach nach dem anderen wurde so besichtigt und Kathrin musste sich nicht enden wollende Erklärungen zu Gemälden, Kronleuchtern und Möbelstücken aller Art anhören. Natürlich wurde ihr das schnell zu langweilig, denn sie hatte doch so sehr gehofft, ein schauriges Verlies oder zumindest ein paar grausame Folterwerkzeuge sehen zu können. Aber Fehlanzeige! Stattdessen sprach der alte Schlossführer gerade über jede Einzelheit der geschnitzten Holztruhe, vor der sie schon seit mehr als 10 Minuten standen. Schließlich hielt Kathrin es nicht mehr aus, beschloss sich von der Gruppe abzusetzen und sich selbstständig auf Erkundungstour zu begeben. Ihre Eltern würden ihr Fehlen nicht bemerken, da war sie sich sicher, weil sie damit beschäftigt waren, den Ausführungen des langweiligen Führers zu lauschen und so schlich sich Kathrin auf leisen Sohlen davon.

Schnell lief das Mädchen die

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